ÜBER GEMEINWOHL, FÜHRUNG UND WANDEL

Filiasophia Gründerin Sonja Maria im Interview mit der Gemeinwohl-Akademie

 

 

Bei Filiasophia beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema Werte und in dem Zusammenhang auch mit den in der Materiellen Welt bestehenden Geldsystemen. Schon lange fühlt sich das Prinzip des Geldes nach dem wir gesellschaftlich leben, für uns sehr eng an. Und vor allem nicht im Einklang mit den Werten, die wir in unserer eigenen Weltsicht integrieren möchten.

 

Das hat unsere Gründerin Sonja Maria dazu bewogen, noch tiefer und konkreter in das Thema einzusteigen und in Kooperation mit der Akademie für Gemeinwohl an einem Zertifikatslehrgang teilzunehmen, der sich ganz tief mit der Thematik Geld und Gemeinwohl auseinandersetzt. 

 

Die Akademie für Gemeinwohl hat Sonja Maria im Nachgang einige Fragen gestellt. Das Ergebnis:
Ein lesenswertes Interview über Geld, Werte, authentische Führung, Kreditinstitute und Ethikbanken, Gemeinwohl, Verantwortung, Transformation und Wandel.

 

 

Viel Freude beim Lesen!

 

 


 

 

Liebe Sonja Maria,
inwiefern hat dich Geld in deinem Leben beschäftigt, sodass du zu dem Punkt gekommen bist, bei unserem Lehrgang mitzumachen?

Geld hat mich schon immer beschäftigt – und zwar in der Art und Weise, wie wir damit umgehen, und in der Art und Weise, wie es verteilt ist. Ich komme aus einer Familie mit Migrationshintergrund, unterer Mittelstand, würde ich sagen. Es hat uns an nichts gemangelt, aber trotzdem gab es so viele Menschen um mich herum, die so viel weniger hatten und gleichzeitig durch meine Schulbildung auch so viele Menschen, die so viel mehr hatten als alle anderen. Diese Relation war immer da und hat mich beschäftigt. Noch bewusster wurde mir das dann mit der Berufswahl: Ich habe Wirtschaftswissenschaften und Sozialwissenschaften studiert, eine Konzernkarriere gestartet und dann auch recht schnell sehr starke Schritte auf der Karriereleiter gemacht. 

In Konzernen gibt es sehr hohe Budgets, hohe Gehälter, hohe Investitionen in Projekte. In der Zusammenarbeit mit kleinen Agenturen habe ich dann verstanden:

 

„Wie wir mit Geld herumwerfen, ist nicht gesund, es hat gar keinen Bezug mehr zur Realität, mutiert zu Spielgeld.“

 

 

Aber für andere Menschen ist das brutale Realität, während wir hier spielen. Das hat mich bewogen, erstmal eine längere Auszeit zu nehmen, in der ich diesem Thema dann noch stärker nachgehen konnte.

Ich bin einem Interview von Christian Felber begegnet zum Thema innere Stimme – das hat bei mir alle Fragen der Jahrzehnte davor nochmal richtig getriggert, und ich habe gemerkt, dass ich damit nicht alleine bin.

Ich habe mich dann selbständig gemacht und da muss man sich mit Geld, mit Tagsätzen und allem was dazugehört auseinandersetzen. Und da kamen diese Fragen immer wieder auf: Wie presse ich eigentlich das, was ich tue, in einen Stundensatz? Was ist ein Stundensatz, wie eng ist eine Leistung pro Stunde? Und da merkt man schnell: Das passt nicht! Je künstlerischer, je freier, je kreativer die Tätigkeit wird, desto weniger passt das in unser Geldsystem, das kreativen Gedanken oder kreatives Gut überhaupt nicht in dem benötigten Maße berücksichtigt. 

 

„Je künstlerischer, je freier, je kreativer die Tätigkeit wird, desto weniger passt das in unser Geldsystem.“

 

 

Du hast dann ja auch eine Schule für Spiritualität gegründet?

Ja, Filiasophia – die baue ich gerade auf. 

Sinn dieser Schule ist, Menschen bei ihrem Erwachen zu begleiten und ein Netzwerk zu schaffen, eine Community zu bilden, ein Feld des Lernens – in dem man sein und begreifen kann, dass es auch andere Menschen gibt, die sich die Wertefrage stellen. Die heben wir alle bei Filiasophia ganz hoch. 

 

 

Ich schwöre Geld nicht ab und sehe auch, was man damit bewirken kann. Vom Christian Felber habe ich ein schönes Zitat, dass Geld in den Händen einer Lichtgestalt so viel Gutes bewirken kann. 

Die Frage ist nichtsdestotrotz, wenn ich gerade dabei bin etwas Neues und Heiles zu bauen, wie übersetze ich das eigentlich monetär? – und da schließt sich dann auch der Kreis zu dem Lehrgang. Ich wollte mich noch tiefer mit dem Thema Geld und Gemeinwohl auseinandersetzen, und dann kam dieser wunderbare Kurs von Christian Felber „Geld und Demokratie“. Schon nach den ersten Sessions wusste ich, ich muss da tiefer rein. Und dann bin ich über den Lehrgang gestolpert zu einem Zeitpunkt, wo es überhaupt nicht reingepasst hat bei mir auf ganz vielen Ebenen, aber ich wollte es trotzdem und unbedingt. Die Lehrgangsleitung hat es für mich dann möglich gemacht, und ich bin nun in diesem Riesenprozess, der mich begleitet – alles nochmal zu hinterfragen und zu lernen: was gibt es schon, wer hat da schon vorgedacht, wer hat da schon angefangen, wer hat da schon etwas kreiert? Und da wachse ich gerade rein, um noch aufmerksamer zu werden.

 

Warst du auch selbst Führungskraft in den Konzernen, in denen du gearbeitet hast?

Ja. Ich habe im Rahmen von Projektorganisationen Menschen geleitet und geführt. Und ich habe mich sehr stark versucht aus der Affäre zu ziehen, wenn es darum ging, disziplinarisch zu führen. Einerseits, weil ich mich zum Anfang meiner Karriere selber fragte: Wie soll ich etwas führen, wenn ich selber noch so stark mit lernen beschäftigt bin?

Ich fand es sehr befremdlich, wenn ich – vor allem männliche – Führungskräfte vor mir hatte, bei denen ich gespürt habe, dass sie selber noch gar nicht gereift waren. Das funktioniert irgendwie nicht. Was nicht heißt, dass eine junge Führungskraft nicht auch gut führen kann. Die gibt es sicherlich. Aber ich war einfach noch zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Im Laufe der Jahre änderte sich das selbstverständlich, aber es gab zusätzlich einen Teil von mir, der auf diese ganze Politik und das Menschenverwalten keine Lust hatte bzw. sich dagegen gesträubt hat. 

Ich habe es immer wieder erlebt, wie motivierte Führungskräfte in den Stellschrauben dieser engen Systeme sich selbst nicht als Führungskraft entfalten und entwickeln konnten, zumindest nicht in dem Maße, wie ich es mir für mich vorgestellt habe – besonders Frauen. Die Orientierung an Status, an Funktionen, an Geld, an Macht und an – für mich unnütze und verschwenderische – Politik (die kann man sich nur leisten, wenn das Geld dafür da ist), das konnte und wollte ich selbst nicht mitgehen. 

 

Wir alle dürfen jetzt gerade noch mehr mit unseren Werten wirklich in unsere Kraft kommen und etwas vorleben, was diese Systeme vielleicht noch nicht kennen.“

 

 

Das ist nicht einfach, da gibt es sicherlich Widerstand. Wie gehen wir möglichst balanciert durch diesen Prozess? Das ist, worauf ich mich ganz stark fokussiere, und was auch im Lehrgang ganz stark an die Oberfläche kommt. Das Thema Führung, dazu organisatorische, soziale und strukturelle Verantwortung – da schließt sich der Kreis mit dem Thema Gemeinwohl. 

 

Ich schließe daraus, dass unser Lehrgang für Führungskräfte gut geeignet ist?

Der Lehrgang ist so reich, so ein Füllhorn an Themen, an Perspektiven, an Inspiration, an Motivation, dass ich es nicht auf eine Zielgruppe beschränken kann. Wir sind ja im Kurs sehr unterschiedlich zusammengestellt, aber ja – ich würde es Führungskräften, die wirklich tiefer eintauchen wollen und die Wurzeln vieler Probleme verstehen wollen, die sich aber gleichzeitig auch inspirieren lassen und in Neues hineinwachsen wollen, ganz, ganz warm ans Herz legen.

Es ist inhaltlich wahnsinnig fordernd, auch kognitiv, zugleich ein Hingeben all meiner Glaubenssätze und neu sortieren und nochmals neu zusammenstellen, das ist für mich gerade richtiger Sport. Zwischen den Modulen passiert bei mir so viel, weil ich verarbeite, integriere, lausche, nachlausche, beobachte. Also bei mir geht es sehr tief und sehr weit. Jedes einzelne Modul, fast jeder einzelne Vortrag könnte nochmal ein Lehrgang für sich sein.

 


 

 

 

 

Du möchtest mehr über die Akademie für Gemeinwohl und den Zertifikatslehrgang erfahren?

Dann besuche www.gemeinwohlakademie.at

 


 

 

Kristallisiert sich für dich ein Projekt heraus, an dem du weiter arbeiten möchtest im Bereich Geld und Gemeinwohl?

Wenn ich mich mit dem Thema Gemeinwohl auseinandersetze, gerade in Bezug auf unser Finanzsystem und unsere Kreditinstitute, stolpere ich unweigerlich über das Thema werteorientierte Ethikbanken.

Ich bin gelernte Sparkassenkauffrau und in dem Bereich gut vernetzt. Dementsprechend gibt es da auch eine emotionale Nähe, besonders zu der Frage: Brauchen wir wirklich neue Banken oder müssen die Banken, die wir mal gegründet haben, wie Sparkassen und Genossenschaften, die ja eigentlich in ihrem Kern gemeinwohlorientiert sind, zu ihrem Ursprungszweck finden?

 

Muss ich neu bauen – oder zurückkehren zu dem, was ich eigentlich schon bin?“

 

 

Aus meiner spirituellen Entwicklung würde ich sagen, es ist irgendwie immer beides. Nur was ist da? Wo ist das Problem, warum tun wir dieses und jenes nicht – oder tun wir es vielleicht, und wissen es gar nicht, das kann ja auch sein. Also für mich zumindest aus meiner Perspektive sind wir noch Lernende.

Ich habe viele sehr gute und für mich bewegende Gespräche mit Führungskräften, und auch mit einigen Vorständen der Sparkassen und Volksbanken geführt. Dabei habe ich erstens festgestellt, dass Gemeinwohl mit Spenden verwechselt wird. „Ja, ich unterstütze, ich spende an örtliche Vereine.“ Aber für mich reicht das nicht.

 

„Gemeinwohl ist eine strukturelle Verantwortung, die wir alle, aber vor allem Führungskräfte haben.“

 

 

Weiter haben diese Gespräche nochmal aufgezeigt, was im Finanzbereich vielleicht gerade insgesamt falsch läuft und wahnsinnigen Kostendruck vor allem auf regionale Kreditinstitute ausübt. Mit dem Thema Sparen aufgrund des immensen Kostendrucks sind alle intensiv beschäftigt. Und jetzt kommt auch nochmal eine Pandemie dazu, das geht dann schon ordentlich an die Substanz dieser Kreditinstitute. Was natürlich auch dazu führt, dass sie sich irgendwie verändern müssen – häufig wissen sie aber gar nicht, wohin. 

Und für mich gilt es da in die Reise reinzugehen und zu erforschen, was denn – neben den strukturellen Rahmenbedingungen, die wir auch brauchen –, der wirkliche Hebel der Transformation ist.

 

Und der wirkliche Hebel ist für mich
immer der Mensch:
Der, der führt und der,
der in irgendeiner Form einen Wert
nach vorne treibt.“

 

 

Das ist Aufgabe von Führungskräften. Das sind die, die in Unternehmen wirklich einen Hebel haben, egal auf welcher Position. Ich kann erst was bewegen, wenn ich irgendetwas authentisch ausstrahle, dann werde ich auch einen Weg finden. 

Und das ist für viele – getrieben durch das Tagesgeschäft und das tägliche Hamsterrad – noch nicht da. Das gilt auch für persönliche Themen. Ich brauche gar nicht mit übergeordneter struktureller und sozialer Gemeinwohl-Verantwortung anfangen, wenn mein Mitarbeiter noch unzufrieden ist, wenn abteilungsweise, bereichsweise oder unternehmensweise die Hausaufgaben einfach da noch nicht gemacht sind. Da ist es ganz ganz schwer, weil alle  einfach noch wahnsinnig durch die interne Themen abgelenkt sind. 

Für mich bräuchte es eine neue Qualität von Führungskräften.

 

 

 

Ich habe mich auch viel mit Frauen unterhalten, vor allem aus Kreditinstituten, die sich gerade noch nicht in Führungspositionen trauen oder sich nicht gerufen fühlen.

 

Ich glaube aber, da kommt gerade eine Welle an Menschen, bei denen es nur mehr darum geht, ihnen Zugang zu ermöglichen, damit etwas verändert werden kann.“

 

 

Plus – auch davon bin ich überzeugt – dass da eine Generation nachrückt, die Fragen stellt, die das, was wir bisher gelebt haben, so nicht hinnehmen möchte und auch nicht hinnehmen wird, auf so vielen Ebenen nicht, strukturell nicht, aber auch inhaltlich nicht.

Das sind die zwei Bausteine, auf die ich gerade setze. Im Rahmen meiner Projektarbeit – um den Bogen zu schließen – beschäftige ich mich mit der Frage, was bräuchte es, dass wir gemeinwohlorientiert handeln und welche Form bräuchte es. Nicht nur die organisatorische und die strukturelle Form. Was bräuchte es an Führungskräfte, die das Thema Gemeinwohl wirklich fühlen und vielleicht auch nach außen tragen? Führungskräfte, die die Möglichkeit haben sich in lernenden Systemen zu integrieren.  

 

Diese Beobachtung, dass da eine Generation nachkommt, die einfach was Neues will – drückt sich hier für dich aus, dass der „große Wandel“ schon da ist?

Ja, für mich sind wir mittendrin. Vor ein paar Jahren musste man vielleicht noch genau hinschauen, aber jetzt sind wir mitten im Wandel und für mich ist eine logische Konsequenz, dass es die nächsten Jahre darum geht, diesen auch konsequent durchzuziehen.

 

„Dafür braucht es wache und informierte Menschen, mit den integrierten Gemeinwohl-Werten – die sich auch trauen, solche Aufgaben zu übernehmen.“

 

 

Welche Rollen Frauen haben werden mit ihren Wertesystemen, mit ihrem natürlichen Instinkt für das Wir, das Gemeinwohl – das ist ja auch eine weibliche Energie – bleibt abzuwarten. Ich bin sehr gespannt. Aber auch da sehen wir eine Generation kommen, die es gar nicht anders kennt. Was in meiner Generation oder älter noch ein Riesenthema ist – kennen die als Problem gar nicht.

Das ist gut.

 

„Ich sehe es auch als unsere Aufgabe, die Türen zu öffnen, die diese jungen Menschen, egal ob männlich oder weiblich, brauchen, um letztendlich den Job zu machen, der jetzt zu tun ist.“ 

 

 

Danke!

 

 


 

 

 

 

„Ich sah aus dem Fenster so für mich hin und nicht zu denken das war mein Sinn.“

Mehr von und über Christian Felber erfährst Du unter:
www.christian-felber.at

 


 

 

 

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